Dr. Stine Marg ist Politikwissenschaftlerin und Geschäftsführerin des Instituts für Demokratieforschung an der Universität Göttingen. Sie arbeitet schwerpunktmäßig im Bereich der politischen Kulturforschung sowie der Protest- und Bewegungsforschung.

von Stine Marg

Die Letzte Generation ist gegenwärtig in der öffentlichen Debatte so präsent wie wenige andere Protestformationen, auch, weil sie auf nicht alltägliche Protestformen zurück­greift: Unter anderem blockiert sie Straßen und bewirft Ge­mälde mit Kartoffelbrei. Jenseits dieser – oft als Ordnungs­widrigkeit verfolgten – Aktionen hat die Bewegung mit der Sabotage an Pipelines allerdings auch strafrechtliche Grenzen überschritten. Die Letzte Generation selbst nennt solche Akte zivilen Ungehorsam oder zivilen Widerstand. Sie ist davon überzeugt, dass diese Praxis angesichts des drohenden Klimawandels notwendig sei, da die Regierung aus ihrer Perspektive nicht genug gegen ihn unternehme.

Doch was heißt ziviler Widerstand? Und in­wiefern ist dieser in einer demokratischen Gesellschaft legitim? Denn: Wenn in einer Demokratie die Politiker:innen vom Volk gewählt und Gesetze durch die Legislative erlassen werden – das Recht also durch das Volk selbst gesetzt wird – ist Widerstand durch das Volk dann überhaupt legitim? Die­ser Gedanke soll anhand eines kursorischen Blicks auf die Letzte Generation vor der historischen Folie der DDR-Um­weltproteste verfolgt werden.

WELCHE ZIELE VERFOLGT DIE LETZTE GENERATION?

Mit ihren vielfältigen und ungewöhnlichen Aktionen möch­te die Letzte Generation Öffentlichkeit herstellen und ein Bewusstsein für die Dramatik der Situation schaffen. Das Bündnis fordert von Politiker:innen, dass diese die Klima­krise anerkennen und einen umfassenden Plan vorlegen, um der Krise zu begegnen – also nicht wirkungslose Selbst­verpflichtungen wie das Übereinkommen von Paris (2015) oder halbherzige Marktlösungen wie den Emissionshandel. Stattdessen müssten sofort einschneidende, den Alltag und die Produktion verändernde Maßnahmen umgesetzt werden, um bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu werden. Um diese abstrakten Ziele im Handeln der Menschen zu verankern, fokussierte die Letzte Generation zunächst all­tagspraktikable Forderungen wie den Verzicht auf Lebens­mittelverschwendung. Allmählich verschob sich der Fokus auf grundlegendere Themen wie Agrarwende, Vermeidung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase durch den Verzicht auf fossile Infrastruktur, keine weitere Förderung von Öl in der Nordsee, Verbot von Privatjets und Einführung eines Tempolimits. Darüber hinaus verlangt sie mit der Einfüh­rung eines Bürger:innenrates eine strukturelle Änderung des politischen Systems. Der Rat soll sich aus circa 160 zufällig ausgelosten Personen zusammensetzen, die die Be­völkerung Deutschlands soziökonomisch repräsentieren, und – unterstützt durch Expert:innen – für die Politik bindende Entscheidungen formulieren, wie die Emissionen in den nächsten sieben Jah­ren auf nahezu null herabgesenkt werden könnten. Mit dem Bürger:innenrat möch­te die Letzte Generation den von der Gruppe identifizierten Schwächen der repräsentativen Demokratie begegnen. Ein Rat erreiche eine „faktische“ statt „elitäre“ Repräsentation, parteipolitische Interessen, die sonst konstruktive Lösun­gen blockierten, würden ausgeschlossen, Wahlzyklen, die das Denken in kurzfristigen Etappen statt langfristigen Ho­rizonten prämierten, würden umgangen und Lobbyismus sowie Korruption könnten verhindert werden (vgl. Letzte Generation 2023b).

DER ZIVILE WIDERSTAND DER LETZTEN GENERATION

Trotz mitunter massiver Kritik hält die Bewegung an der Straßenblockade als zentraler Aktionsform fest. Dabei geht es nach eigener Aussage in erster Linie nicht darum, die betroffenen Autofahrenden zu sensibilisieren, mit ihnen ins Gespräch zu kommen oder sie von der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs zu überzeugen. Vielmehr ist die Blockade eine Inszenierung, die mediale Aufmerksamkeit erzeugen soll (Kumkar 2022). Adressiert werden damit ver­schiedene Akteursgruppen. Zunächst die Politik, deren von der Bewegung diagnostizierte Untätigkeit durch die Stra­ßenblockaden und deren Konsequenzen angesprochen werden soll. Ein weiteres Ziel ist eine langfristige Überlas­tung der Polizei und der Justizbehörden. Außerdem er­ möglichen die Blockaden den Aktivist:innen Selbst­wirksamkeitserfahrungen, was einen Kontrapunkt zu den verbreiteten Ohn­machtsgefühlen ange­sichts der Klimakrise bil­den kann.

Straßenblockade Treptower Park. © Jakob Schäfer

Die Letzte Generation setzt auf friedlichen zivi­len Widerstand als strate­gisches Instrument, um Veränderungen innerhalb demokratischer Gesellschaf­ten hervorzurufen. Die Straßenblockade – nicht zu ver­wechseln mit einer angemeldeten Straßendemonstration – stellt jedoch vor dem Gesetz mindestens eine Ordnungs­widrigkeit dar. Und auch wenn der Verfas­sungsschutz die Letzte Generation nicht für extremistisch hält (aber wohl einige Akti­vist:innen als kriminell einstuft, vgl. Küstner 2023), ermitteln bayrische Justizbehörden momentan gegen die Aktivist:innen und der Betreiber des Düsseldorfer Flughafens prüft rechtliche Schritte bzw. Schadensersatz­forderungen gegen die Bewegung aufgrund einer Rollfeldblockade.

KURZE THEORIE DES ZIVILEN UNGEHORSAMS

Die theoretische Figur des zivilen Ungehorsams oder zivi­len Widerstands – überwiegend synonym gebraucht – wird meist auf den 1817 geborenen Schriftsteller und Philoso­phen Henry David Thoreau zurückgeführt (Braune 2017). Thoreau argumentierte in einem Brief an die Steuerbehör­den, dass er zukünftig nicht mehr zur Zahlung von Abgaben bereit sei, da er keinen demokratischen Staat unterstützen wolle, der Sklaverei fördert und einen Expansionskrieg ge­gen Mexiko führt. Mahatma Gandhi und Martin Luther King, im 20. Jahrhundert einflussreiche Praktiker des zivilen Un­gehorsams, beriefen sich auf Thoreau. Kings Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus in der US-Gesellschaft und Gandhis Einsatz für die Unabhängigkeit Indiens von Groß­britannien sind auch Vorbilder der Letzten Generation. Die theoretische Reflexion des zivilen Ungehorsams wurde Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre durch den Philosophen John Rawls und die Theoretikerin Hannah Arendt vorangetrieben. Rawls, in dessen Denken die Frei­heit des Einzelnen und die Gerechtigkeitsprinzipien so­zialer Institutionen im Zentrum standen, hielt den Rechts­bruch durch zivilen Widerstand innerhalb einer liberalen demokratischen Gesellschaft nur dann für gerechtfertigt, wenn dadurch langfristig der demokratische Rechtsstaat gestärkt werde. So könne, bspw., wenn die Bürger:innen neue Anforderungen an staatliche Institutionen stellten oder wenn neues Wissen hervorgebracht werde, ziviler Un­gehorsam ein Mittel sein, Veränderungen in der demokrati­schen Gesellschaft zu bewirken.

Arendt grenzte zivilen Widerstand vom individuellen Han­deln aus Gewissensgründen ab. Ihr zufolge erfordert der Rechtsbruch des zivilen Widerstands Pluralität und Öf­fentlichkeit, d.h. einer öffentlichen Rechtfertigung und des Handelns in einer Gruppe. Da sich ziviler Widerstand nach Arendt überdies auf die Beziehung der Bürger:innen zum Gesetz konzentrieren sollte und sein Ziel nur die Stärkung, nicht aber die Abschaffung der Demokratie sein könne, gilt ihr Gewaltfreiheit als zentrales Kriterium. Der Philosoph Jürgen Habermas äußerte sich in den 1980er Jahren ähn­lich: Ziviler Widerstand gelte in einer demokratischen Ge­sellschaft dann als legitimes Instrument, wenn er durch ein Kollektiv öffentlich praktiziert werde, gewaltfrei sei, sich auf Gewissens- bzw. Gerechtigkeitsgrundsätze be­rufe, die offen reflektiert werden, und wenn die Strafe für den Rechtsbruch akzeptiert werde. Bei Beachtung dieser Prinzipien führe der Bruch des kodierten Rechts innerhalb einer Demokratie nicht zwangsläufig dazu, dass die Han­delnden als kriminelle Subjekte deklassiert würden. Sie könnten vielmehr als Bürger:innen gelten, die auf Miss­stände aufmerksam machen, die eine demokratische Ge­sellschaft nicht länger hinnehmen kann. Das heißt jedoch nicht, dass jeglicher Rechtsbruch durch eine soziale Bewe­gung automatisch als ziviler Ungehorsam klassifiziert wer­den kann. Erfüllt also die Praktik der Straßenblockade die theoretischen Voraussetzungen des zivilen Widerstandes?

Auch wenn gelegentlich das Argument benutzt wird, dass die Straßenblockade Nötigung sei, verhalten sich die Ak­tivist:innen auf der Straße deeskalierend und verzichten auch auf verbale Gewalt. Anders als bei der klassischen Unterscheidung zwischen Gewalt gegen Sachen und Ge­walt gegen Menschen geht die Letzte Generation von ei­nem Spektrum der Gewalt aus, an dessen einem Ende die Gewalttätigkeit steht, die neben aktiver Gewalt auch Ver­achtung, Falschheit, Manipulation und Arroganz beinhal­ten kann. Auf der anderen Seite des Spektrums stehe nicht Gewaltfreiheit, sondern Teilnahmslosigkeit, Passivität, Schlaffheit und Apathie. Zwischen Teilnahmslosigkeit und Gewalttätigkeit liege die „aktive Gewaltfreiheit“, die Enga­gement, Stärke, Respekt, Wahrheit, Aufrichtigkeit, Vertrau­en, Wärme und Demut bedeute und das praktische Ziel der Bewegung sei (Letzte Generation 2023c).

Anhand zweier Beispiele lässt sich dieses Spektrum der Ge­walt verständlicher machen. Das eine ist die Aufforderung der Polizei, anlässlich einer Straßenblockade die Fahrbahn zu räumen. Komme man dem nach, erzeuge man keine Spannung, praktiziere Schlaffheit, verhalte sich demzufol­ge teilnahmslos. Das andere Beispiel ist der Streit eines Fahrzeugführers mit einem Aktivisten im Zusammenhang mit einer Blockade. Würde der Aktivist in diese Auseinan­dersetzung einsteigen, verhalte er sich gleichermaßen ge­waltvoll. Da aber die direkte Auseinandersetzung mit den blockierten Verkehrsteilnehmenden gar nicht im Zentrum der Aktion steht, sei dieses Verhalten zu vermeiden.

Die Letzte Generation hat demzufolge ein reflektiertes Verhältnis zur Gewaltfreiheit ihrer Aktionen, exkludiert jedoch gleich­zeitig den politischen Streit aus der Öf­fentlichkeit. Führt man die Argumentation der Bewegung konsequent fort, gehört die öffentliche Auseinandersetzung, der Aus­tausch von Argumenten, zur Praxis der Ge­walt und ist zu vermeiden. Da die Richtung der Handlung für die Aktivist:innen klar ist – Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2030 – ist der Diskurs darüber, so könnte man überspitzt formulieren, für die Letzte Generation überflüssig. Eine Tendenz der Entpo­litisierung des zivilen Widerstands durch die Bewegung er­gibt sich überdies auch aus der Ästhetisierung der Protest­handlungen: Kartoffelbrei und Tomatensuppe erzeugen aufsehenerregende Bilder, doch in Folge wird – wie bereits Nils Kumkar (2022) feststellte – primär über den durch die Letzte Generation erzeugten Skandal debattiert, während das durch die Protestformation in die Öffentlichkeit einge­brachte Thema in den Hintergrund tritt. Und gerade, weil die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Klimawandel durch die Praxis der Letzten Generation selbst in den Hin­tergrund gedrängt und der öffentlichen Aufmerksamkeit entzogen wird, bleibt die Prüfung der Gerechtigkeitsgrund­sätze und die öffentliche Rechtfertigung für ihr Handeln im Vergleich dazu eher vage. Damit ist ein zentrales Element des zivilen Ungehorsams nur in Ansätzen erfüllt.

UMWELTPROTEST IN DER GESCHICHTE

Die Letzte Generation kann als Protestformation in die glo­bale Klimabewegung eingeordnet werden. Diese konzen­triert sich seit den 2010er Jahren auf das Problem, dass der durch die Menschen verursachte Klimawandel die Le­bensgrundlagen aller Erdbewohner:innen bedroht. Insbe­sondere Fridays for Future macht in Deutschland seit dem Jahr 2018 öffentlichkeitswirksam auf diese Problemlage aufmerksam, doch hat die Klimabewegung historische Vorläufer. Der drohende Verlust einer lebenswerten und -förderlichen menschlichen Umwelt wird bereits seit dem späten 19. Jahrhundert thematisiert. Im Zeitalter der In­dustrialisierung wurde ein vermeintlich ursprüngliches Na­turerlebnis dem Leben in den Metropolen entgegengesetzt und Natur- bzw. Heimatschutz betrieben. An diese Ideen schloss die die Umwelt- und Ökologiebewegung seit den 1970er Jahren an. Als eine der Neuen Sozialen Bewegun­gen ging in der Bundesrepublik aus diesen vielfältigen Um­weltgruppen mit den Grünen schließlich eine eigene Partei hervor.

Die sichtbare Verschmutzung der Umwelt war auch in der DDR so evident, dass hier ebenfalls Umweltgruppen ent­standen (Halbrock 2011). Ein zentrales Anliegen war es, dem Informationsdefizit zu begegnen, da Umweltproble­me in der DDR offiziell kaum thematisiert wurden, schon gar nicht, wenn deren Verursachung volkseigenen Betrie­ben und Kombinaten zuzuschreiben war. Einigen Umwelt- Aktivist:innen ging es darüber hinaus nicht nur um die Be­arbeitung der Umweltprobleme, sondern um elementare demokratische Rechte. Sie gerieten dadurch in den Ver­dacht, Staatsfeinde zu sein.

WIDERSTAND ODER PROTEST?

In der BRD sind spätestens seit der Modernisierung durch die 68er-Bewegung Protestformationen und soziale Be­wegungen ein alltägliches Phänomen und als zivilgesell­schaftliche Akteure nicht mehr wegzudenken. Demgegen­über stehen Protestgruppen in nicht-demokratischen Regimen vor Herausforderungen: Insbesondere in der sozialistischen Einheitsgesellschaft der DDR war Protest eine voraussetzungsreiche Angelegenheit für die Individu­en. Zunächst galt es, sich aus den geistigen Bindungen der totalitären Gesellschaftsordnung zu befreien und als Bür­ger:in den Mut zu haben, als handelndes Subjekt in Erscheinung zu treten (Neubert 2002: 276). Gesellschaft abseits der Massen­organisationen mitzugestalten, war keine alltägliche Praxis im Sozialismus. Die Um­weltgruppen in der DDR mussten sich zu­nächst gegen die offiziellen Verlautbarun­gen positionieren, indem sie das Problem definierten; demgegenüber adressieren die Aktivist:innen der Letzten Generation eine in der Ge­sellschaft hinlänglich bekannte Problemlage. Durch den Verweis auf die totgeschwiegenen Umweltprobleme kriti­sierten die Aktivisten in der DDR mindestens indirekt das Regime. Die Letzte Generation hingegen kann auf fundier­te Forschungsergebnisse verweisen, die sich dezidiert mit den Folgen des anthropogenen Klimawandels und den sich daraus ergebenden Konsequenzen auseinanderset­zen. Zudem ist sie nicht die erste Gruppierung, die dies tut. Dabei wendet sich die Letzte Generation in erster Linie an die Politik, die in ihren Augen nicht konsequent genug auf die Klima-Herausforderung reagiert. Die Bevölkerung kön­ne – bspw. durch einen bewussten Umgang mit Lebens­mitteln – nur einen bescheidenen Beitrag leisten. Dem­gegenüber zielten die ostdeutschen Umweltgruppen, auch um offene Systemkritik zu vermeiden, überwiegend auf Verhaltensänderungen ihrer Mitbürger:innen ab.

Neben den individuellen Voraussetzungen für abweichen­des Verhalten sind auch die Rahmenbedingungen für die Umweltgruppen in der DDR andere als in der heutigen BRD. Handlungen, die nicht im Einklang mit der offiziellen Staatsdoktrin standen, hatten individuelle Konsequenzen für die Handelnden, die von Berufsverbot bis hin zur Be­ drohung des Lebens reichen konnten. Daher waren die Formen widerständigen Verhaltens in der DDR vielfältig: partielle Kritik, Resistenz, sozialer und politischer Protest, passiver Widerstand, Dissidenz, politische Opposition oder aktiver Widerstand. Je­denfalls konnte bereits die Praxis der Infor­mationsbeschaffung und -weitergabe als widerständige Handlung gewertet werden, konnte man durch Baumpflanzaktionen ins Visier des Ministeriums für Staatssicherheit geraten – die Konsequenzen der Handlun­gen waren für die Beteiligten nicht immer abschätzbar. Demgegenüber wissen die Ak­tivist:innen der Letzten Generation genau, welchen Rechtsrahmen sie mit ihren Hand­lungen verletzen und welche Konsequenzen Autobahn­blockaden und Kartoffelbrei auf Gemälden haben können. Und es gibt eine intensive öffentliche Debatte darüber, in­wiefern die Taten der Letzten Generation Ordnungswidrig­keiten, Straftaten oder anderes sind.

Während Protestgruppen in demokratischen Gesellschaf­ten in der Regel über mediale Kanäle die Öffentlichkeit adressieren, war Aktivist:innen in der DDR der Zugang zu Massenmedien, die staatlich kontrolliert waren, verwehrt. Sie mussten sich daher mühsam durch selbst verlegte Bü­cher und Informationsschriften einen begrenzten öffentli­chen Kreis erschließen. Hierbei waren sie auf vertrauens­volle zwischenmenschliche Beziehungen angewiesen, auf gleichgesinnte Gesprächspartner:innen, um nicht unnötig in Gefahr zu geraten. Demgegenüber steht eine intensive Berichterstattung über die Aktionen der Letzten Genera­tion, der zahlreiche mediale Kanäle zur Verfügung stehen.

Nimmt man all die Aspekte zusammen – Voraussetzung für individuelles Protesthandeln, persönliche Konsequen­zen für abweichendes Verhalten, Problemdefinition und Adressat:innen der Proteste – scheint der Begriff des zivi­len Widerstandes eher auf die Praktiken der DDR-Umwelt­gruppen zu passen als auf die Vertreter:innen der Letzten Generation. Zumindest ist seine aktuelle Beanspruchung durch die Letzte Generation – gerade vor dem Hintergrund der langen Geschichte der Natur-, Umwelt-, Öko- und Kli­mabewegung, aus der hier die DDR-Umweltgruppen her­ausgegriffen wurden, – hinsichtlich der genannten Punkte zu hinterfragen.

 

Literatur

Braune, Andreas: Ziviler Ungehorsam. Texte von Thoreau bis Occupy, Stuttgart 2017.

Halbrock, Christian: Die unabhängigen Umweltgrup­pen der DDR. Forschungsstand und Überblick, in: Deutschland Archiv Online, 15.12.2011, URL: https:// www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/61423/ die-unabhaengigen-umweltgruppen-der-ddr/ [27.07.2023].

Küstner, Kai: „Letzte Generation“ bisher „nicht extre­mistisch“, in: Tagesschau Online, URL: https://www. tagesschau.de/inland/haldenwang-verfassungs­schutz-letzte-generation-101.html [27.07.2023].

Kumkar, Nils C.: Die Radikalisierung der Radikali­sierungsbehauptung. Zum Diskurs über die Letzte Generation, in: Soziopolis – Gesellschaft beobach­ten, 16.11.2022, URL: https://www.soziopolis.de/ die-radikalisierung-der-radikalisierungsbehauptung. html [17.07.2023].

Letzte Generation (2023a): Der Plan für den Sommer 2023, URL: https://letztegeneration.org/plan-2023/ [17.07.2023].

Letzte Generation (2023b): Gesellschaftsrat: Fragen & Antworten, URL: https://letztegeneration.org/ge­sellschaftsrat/ [17.07.2023].

Letzte Generation (2023c): Ziviler Widerstand. War­um er funktionieren kann, URL: https://letztegenera­tion.org/ziviler-widerstand/ [25.07.2023].

Rucht, Dieter: Die Letzte Generation. Beschreibung und Kritik, ipb working papers (1.2023), URL: https:// protestinstitut.eu/wp-content/uploads/2023/04/ WP_1.2023.pdf [17.07.2023].

 

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